Arbeit

Familienarbeit – Erwerbsarbeit

Neben einem die verschiedenen Lebensphasen von Eltern übergreifenden Leistungsausgleich für Familien ist die zweite große Aufgabe der Familienpolitik, die Welt der Erwerbstätigkeit wieder mit der Welt der Familientätigkeit zusammenzubringen, so dass beiden Elternteilen die Teilhabe an beiden Tätigkeitsbereichen möglich ist.

Industrialisierung und arbeitsteilige Marktwirtschaft haben die räumliche Einheit von Familie und Erwerb aufgelöst und das Familienleben „halbiert“: Haushalt und Kindererziehung – der Innenbereich – wurden getrennt von Erwerbsleben und Außenbereich. Familienzeit wurde reduziert auf die Zeit, die die Erwerbsarbeit übrig läßt.

Halbiert wurde auch die gesellschaftliche Vorstellung von nützlicher und produktiver Tätigkeit: Nur die bezahlte Erwerbsarbeit ist Quelle für existenzsicherndes Einkommen, soziale Sicherung, gesellschaftliches Prestige und das Bewußtsein der eigenen Leistungsfähigkeit. Die zweite Hälfte der Arbeit, die Familienarbeit in ihrer ganzen umfassenden Form – von der Pflege und Erziehung der Kinder und der Führung des Haushalts bis hin zur Pflege von Alten und Kranken und zu den freiwillig erbrachten Hilfestellungen in der Nachbarschaft und in ehrenamtlichen Hilfsorganisationen – wurde aus dem öffentlichen Bewußtsein weitgehend ausgeblendet, da sie außerhalb des Marktes und ohne Preisbildung erbracht wird.

Laut dem 5. Familienbericht investieren Eltern von zwei Kindern allein in den monetären Unterhalt bis zur Volljährigkeit bis zu einer halben Million DM. Hinzu kommen die Unterhalts- und Ausbildungskosten für volljährige Kinder sowie Einkommensausfälle und deutlich geringere Rentenansprüche durch den teilweisen Verzicht auf Erwerbstätigkeit zugunsten der Kindererziehung.

Diese Halbierung des Arbeitsbegriffs und des familiären Lebenszusammenhangs liegt letztlich allen Konflikten zwischen Familie und Erwerb zugrunde. Und sie ist nicht zuletzt auch Hauptursache für die gesellschaftliche, wirtschaftliche und sozialrechtliche Benachteiligung der Frau – denn es sind vor allem Frauen, die den Großteil der unbezahlten Arbeit leisten.

Alle Vorstellungen und Forderungen des Deutschen Familienverbandes zu einer neuen Symmetrie zwischen Familienarbeit und Erwerbsarbeit und zu einer gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen basieren daher auf der gleichwertigen Anerkennung von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit, von Erwerbszeit und Familienzeit. Die familiengerechte Arbeitsgesellschaft braucht einen neuen, ganzheitlichen Arbeitsbegriff, der alle Formen der gesellschaftlich nützlichen Arbeit erfaßt und dabei auch die in den Familienhaushalten erbrachten Leistungen, die, in Arbeitslohn umgerechnet, zwei Drittel des Bruttosozialproduktes ausmachen, einbezieht. Veränderungen beginnen im Kopf: Im Unternehmen, im Kollegenkreis, in den Sozialversicherungssystemen, beim Gesetzgeber und auch innerhalb der Familie zwischen den Partnern werden Veränderungen, die Vätern und Müttern eine Vereinbarung von Familie und Erwerb erleichtern, erst dann möglich sein, wenn beide Formen der Arbeit als gleichwertig anerkannt sind.

Eine Politik für Familien, die auf dem Prinzip der Gleichberechtigung von Lebens- und Arbeitsformen basiert, zielt nicht darauf ab, Frauentätigkeit zwangsweise auf den Innenbereich der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung zu reduzieren. Insbesondere junge Frauen wünschen sich Familie und Erwerbstätigkeit – sei es gleichzeitig, sei es phasenversetzt. Wird ihnen diese Option versperrt, geht das auf Kosten der Lebenszufriedenheit – oder es führt zur Entscheidung gegen Kinder. Der Deutsche Familienverband lehnt allerdings ebenso eine politische Strategie ab, die die lebenslange und beidseitige Vollzeiterwerbstätigkeit aller Eltern zum Ziel hat und damit die Erziehung und Betreuung der Kinder völlig aus dem Innenraum Familie in öffentliche Institutionen verlagert. Vereinbarkeitspolitik muss vielmehr eine Politik der Wahlfreiheit sein, die sich an den tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen von Familien ausrichtet. Familie lebt in vielen Formen – von Alleinerziehenden bis zu Mehr-Kinder-Familien -, die jeweils sehr unterschiedliche Bedürfnisse einer Vereinbarung von Familie und Erwerb haben. Auch innerhalb einer Familie ändern sich diese Bedürfnisse mit dem Alter der Kinder. Diesen Anforderungen wird nur eine Vielfalt gestaltender Maßnahmen gerecht, nicht ein einzelnes Modell. Vereinbarkeitspolitik muss vielmehr eine Politik der Wahlfreiheit sein, die sich an den tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen von Familien ausrichtet. Familie lebt in vielen Formen – von Alleinerziehenden bis zu Mehr-Kinder-Familien -, die jeweils sehr unterschiedliche Bedürfnisse einer Vereinbarung von Familie und Erwerb haben. Auch innerhalb einer Familie ändern sich diese Bedürfnisse mit dem Alter der Kinder. Diesen Anforderungen wird nur eine Vielfalt gestaltender Maßnahmen gerecht, nicht ein einzelnes Modell.

Kinderbetreuungsangebote sind ein Teil dieses Maßnahmenbündels – aber nicht das einzige, und nicht in jedem Alter das richtige. Kinder brauchen den Schutzraum Familie, sie brauchen Zeit und elterliche Präsenz – dies gilt in besonders starkem Maße für die ersten Lebensjahre (siehe „Subsidiarität“). Familienleben braucht Zeit – gemeinsam verbrachte Familienzeit und Zeit, die flexibel dann vorhanden ist, wenn die einzelnen Familienmitglieder sie benötigen. Das starre Zeitschema einer Vollzeitarbeit in einem „Normalarbeitstag“ gewährt diese Flexibilität nicht.

Der Deutsche Familienverband setzt sich daher für eine grundsätzliche Flexibilisierung der Arbeitszeit ein, die Raum für Familienzeit und darüber hinaus z.B. auch für ehrenamtliche Arbeit gibt. Die flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit beginnt etwa mit der Möglichkeit für junge Väter, auch in der Phase der beruflichen Integration, die in der Regel mit der Phase der Familiengründung und der Erziehung kleiner Kinder zusammenfällt, zugunsten der Familienzeit kürzer treten zu dürfen, ohne dass ihnen für immer die berufliche Entwicklung versperrt ist. Sie setzt sich fort in familiengerechten Teilzeitangeboten, die über den „Halbtagsjob “ weit hinausgehen und auch die Wochen- und Monatserwerbszeit und den qualifizierten Bereich in den Blick nehmen – und zwar sowohl für Männer wie für Frauen. Und Flexibilisierung heißt schließlich auch, dass es Raum für Umstiege zwischen Familienphasen und Erwerbsphasen gibt. Dazu muss Erwerbsarbeit gleichmäßiger auf die Lebenszeit verteilt werden, sie darf sich nicht länger auf jene Lebensjahre konzentrieren, die zugleich die „Familienjahre“ sind.

Damit mehr Familienzeit nicht automatisch weniger soziale Sicherheit bedeutet, muss sich die Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit allerdings in der arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Gleichstellung von Vollzeit- oder Teilzeit-Erziehungsphasen mit Erwerbsarbeit konkretisieren

Die scharfe Trennung von Familienwelt und Erwerbswelt zu mindern, schafft nicht nur Spielräume für Familien. Sie ist zugleich im Interesse der Wirtschaft. Unternehmen profitieren in hohem Maße von dem emotionalen Rückhalt, den Familiengebundenheit ihren Arbeitnehmern sichert. Eine Personalpolitik, die sich nicht am räumlich und zeitlich bedingungslos mobilen, bindungslosen einzelnen, sondern am familieneingebundenen Menschen ausrichtet, wird zunehmend als Chance zur Steigerung von Motivation und damit von Produktivität erkannt.

Zu diesem Eigeninteresse muss allerdings – insbesondere in konjunkturschwachen Zeiten – das Bewußtsein der gesellschaftlichen Verantwortung für Familie treten, die letztendlich über die Erziehung ihrer Kinder auch die Zukunft des Wirtschaftsstandortes trägt. Der Gesetzgeber hat in diesem Sinne die Pflicht, rechtliche Rahmenregelungen zu schaffen, die Vereinbarkeit ermöglichen.

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