Familienförderung

Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung

Grundsätzliches

Anlass für den vorgelegten Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen ist die zwingende Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, zum 1.1.2002 die steuerliche Ungleichbehandlung von Ehepaar-Familien zu beenden, denen die steuerliche Abziehbarkeit eines Haushaltsfreibetrages verwehrt ist, und zugleich den Erziehungsbedarf aller Kinder steuerfrei zu stellen.

Über die Erfordernisse einer verfassungskonformen Familienbesteuerung hinaus hält der Deutsche Familienverband es für erforderlich, mit dem Gesetzesvorhaben den Einstieg in eine Familienförderung zu schaffen, die mehr ist als die Rückzahlung zu Unrecht erhobener Steuern. Es ist dabei zu beachten, dass es sich bei der Förderung von Familien keineswegs um eine milde Gabe des Wohlfahrtsstaates handelt, sondern um eine Investition in die Zukunft unseres Gemeinwesens und Sozialversicherungssystems. Entsprechendes klingt übrigens auch in der Begründung des Gesetzentwurfs an: „Angesichts des demographischen… Wandels ist die Sicherung der ökonomischen Basis von Familien eine zentrale Aufgabe. Die Leistungen der Familien müssen deshalb stärker in das öffentliche Bewusstsein rücken und eine realistische Würdigung durch Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erfahren“ (S. 15).

Angesichts dieses Begründungszusammenhangs versteht es sich von selbst, dass Mehr-Kinder-Familien, die in besonderer Weise zum Generationenerhalt beitragen, im Zentrum der Familienpolitik stehen müssen – auf jeden Fall aber nicht an ihren Rand rücken dürfen, wie es manche Äußerungen familienpolitischer Experten befürchten lassen (vgl. z.B. Klaus Lange, Verfassungsrechtliche Möglichkeiten einer gleichheitsorientierten Reform des Familienleistungsausgleichs, Rechtsgutachten auf Ansuchen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, April 2000, S. 93f.: „(Die) Existenz mehrerer Kinder statt nur eines Kindes braucht nicht als Regelfall zugrunde gelegt zu werden.“).

Diesen Anforderungen an gestaltende Familienpolitik wird die Gesetzesvorlage insgesamt nicht gerecht:

Trotz seines irreführenden Titels bringt das „Zweite Gesetz zur Familienförderung“ den Familie keine verbesserte Förderung. Tatsächlich sinkt der Förderanteil beim Kindergeld sogar leicht. Es handelt sich wie beim ersten Familienfördergesetz im Kern um ein Änderungsgesetz zur Familienbesteuerung, mit dem eine verfassungswidrige steuerliche Überbelastung von Eltern vermieden werden soll. Der Titel verwischt diesen Zusammenhang und erschwert die Unterscheidung zwischen Familienförderung und Familienbesteuerung weiter.
Die für sächliches Existenzminimum, Betreuung und Erziehung oder Ausbildung vorgesehenen Freibeträge von insgesamt 5.808 Euro (11.360 DM) reichen nicht aus, um horizontale Steuergerechtigkeit in Gänze zu garantieren. Nach Berechnungen des Deutschen Familienverbandes ist hierfür ein Gesamtkinderfreibetrag von mindestens 12.800 DM bzw. 6.545 Euro erforderlich.
Die Erhöhung des Kindergeldes um lediglich 30 DM fällt viel zu niedrig aus. Dritte und weitere Kinder werden wiederum ausgeschlossen. Gemeinsam mit weiteren Familienverbänden fordert der Deutsche Familienverband ein Kindergeld in Höhe der gegenwärtigen maximalen steuerlichen Wirkung eines verfassungskonformen Kinderfreibetrags. Aus Sicht des Deutschen Familienverbandes ist dafür zum 1.1.2002 die Erhöhung des Kindergeldes auf 520 DM (266 Euro) pro Kind unabhängig von der Kinderzahl erforderlich. Mittel- bis langfristig muss sich die Höhe des Kindergeldes am durchschnittlichen Sozialhilfebedarf eines Kindes ausrichten.
Die steuerliche Abzugsfähigkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten wird aus Sicht beiderseitig erwerbstätiger Eltern begrüßt. Es muss jedoch auch für nicht beiderseitig erwerbstätige Mehr-Kinder-Familien die Möglichkeit geben, Aufwendungen für Hilfe im Haushalt bzw. bei der Kinderbetreuung – auch im Rahmen geringfügiger Beschäftigungen – steuerlich geltend zu machen.

Zu den wesentlichen Elementen des Gesetzes führt der Deutsche Familienverband im Einzelnen aus:

Kinderfreibetrag und Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung
Der erhöhte Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum (3.648 Euro/7.134 DM) und der zusammengefasste Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung (2.160 Euro/4.225 DM) summieren sich auf einen Gesamtfreibetrag von 5.808 Euro (rd. 11.360 DM).
Der Deutsche Familienverband hält diesen Betrag nicht für ausreichend. Erforderlich ist ab dem 1.1.2002 ein Gesamtkinderfreibetrag von mindestens 12.800 DM bzw. rd. 6.545 Euro. Dieser – durchaus maßvollen – Berechnung des Deutschen Familienverbandes liegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bezogen auf die Zwei-Kinder-Familie zugrunde.
Zumindest sollten jedoch die im Rahmen des Zukunftsprogramms der Bundesregierung 1999 prognostizierten Beträge nicht unterschritten werden: Aufgeführt wird hier ein Gesamtkinderfreibetrag von 12.528 DM, der sich aus einem auf 7.452 DM erhöhten sächlichen Existenzminimum, einem neuen Erziehungsfreibetrag von 2.025 DM sowie der Ausweitung des Betreuungsfreibetrages von 3.024 DM auf Kinder über 16 Jahre zusammensetzt.
Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung der Freibetragshöhe auch, dass es aufgrund der Einbeziehung des Ausbildungsfreibetrages in das System des Familienleistungsausgleichs für Eltern mit Kindern in Ausbildung im Grunde keine Verbesserungen geben wird. Tatsächlich können sich diese Eltern indirekt sogar etwas schlechter stehen, weil der geplante Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung, anders als der geltende Ausbildungsfreibetrag, mit dem Kindergeld verrechnet wird.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass korrekte und verfassungskonforme Kinderfreibeträge die Voraussetzung dafür sind, dass zwischen Steuerrückzahlung und Familienförderung unterschieden werden kann. Die im Einkommensteuergesetz verankerten Kinderfreibeträge sind zugleich die zentrale Bezugsgröße für die Ermittlung der tatsächlichen finanziellen Leistungsfähigkeit von Eltern. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Einkommensteuerbelastung: Die Kinderfreibeträge werden ebenso bei der Berechnung der Zuschlagsteuern berücksichtigt. Auch bei der Einkommensberechnung für eine Reihe von einkommensabhängigen staatlichen Transferleistungen werden die im Einkommensteuergesetz bezifferten Kinderfreibeträge verwendet und wirken insoweit als Kinderorientierung bei der Einkommensgrenze. Das gilt z.B. für die Wohnungsbauprämie und die Arbeitnehmersparzulage im 5. Vermögensbildungsgesetz.

Anhebung des Kindergeldes für erste und zweite Kinder

Das Zweite Gesetz zur Familienförderung soll, so wird in der Begründung ausgeführt, die ökonomische Basis von Familien sichern. Dies ist in der Tat auch dringend notwendig: Nach Berechnungen des Deutschen Familienverbandes, die unserer Stellungnahme als Anlage beigefügt sind, liegt beispielsweise das verfügbare Einkommen einer Zwei-Kind-Familie bei einem Bruttojahreseinkommen von 60.000 DM nur knapp über dem steuerrechtlichen Existenzminimum. Bei drei Kindern liegt es um 4.590 DM/Jahr darunter. Auch die Steuerreform kann die finanzielle Benachteiligung von Familien nicht beheben: So wird z.B. ein alleinstehender Arbeitnehmer mit einem Jahresbruttolohn von 60.000 DM durch die Reform im Jahr 2005 gegenüber 2000 um 2.098 DM entlastet, ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern dagegen nur um 1.860 DM.

Eine wirkungsvolle Stärkung der ökonomischen Basis von Familien lässt sich nur über ein deutlich verbessertes Kindergeld erreichen. Im Vergleich dazu ist die vorgesehene Erhöhung des Kindergeldes um lediglich 30 DM auf 154 Euro (301 DM) nichts ein Tropfen auf den heißen Stein. Keinerlei Verbesserungen sind für dritte und weitere Kinder vorgesehen – wie bereits im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 und im ersten Gesetz zur Familienförderung werden kinderreiche Familien damit auch in dieser Gesetzesvorlage ausgeblendet.

Auch die durch den Titel „Gesetz zur Familienförderung“ geweckte Erwartung, es handele sich bei der Neuregelung um eine deutliche Verbesserung des Förderanteils im Kindergeld, wird enttäuscht. Gemäß § 31 EStG dient nur der Teil des Kindergeldes der Familienförderung, der nicht zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums erforderlich ist. Das geplante Kindergeld von 154 Euro entspricht schon bei einem Grenzsteuersatz von 31,84% genau der steuerlichen Wirkung des Kinderfreibetrages und des Freibetrages für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung. Der Förderanteil wird damit im Vergleich zur heutigen Situation sogar leicht sinken. Für Familien mit diesem Grenzsteuersatz ist das Kindergeld nichts als eine Steuerrückzahlung im Sinne des § 31 EStG. Bei einem höheren Grenzsteuersatz deckt das Kindergeld nicht einmal die zuviel erhobenen Steuern ab – „Reiche“ erhalten also nicht nur kein Kindergeld, sie geben dem Staat bis zum Steuerjahresausgleich Monat für Monat ein unverzinstes Darlehen.

Vor diesem Hintergrund hält der Deutsche Familienverband die Bezeichnung „Gesetz zur Familienförderung“ für – gelinde gesagt – irreführend und plädiert nachdrücklich für eine Umbenennung des Gesetzes. Auf jeden Fall ist es im Sinne der Transparenz und zur Vorbeugung von Missverständnissen erforderlich, jeweils am Jahresende auszuweisen, in welchem Ausmaß das „Kindergeld“ lediglich die Rückerstattung zuviel erhobener Steuern darstellt und welcher Teil tatsächliche Familienförderung ist.

Wenn die zum 1.1.2002 geplante Neuregelung zugleich die horizontale Steuergerechtigkeit garantieren und eine echte Förderung von Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen bringen soll, muss sich aus Sicht des Deutschen Familienverbandes die Höhe des Kindergeldes an der maximalen steuerlichen Wirkung des Kinderfreibetrages ausrichten. Bei dem vom Deutschen Familienverband für notwendig gehaltenen Gesamtkinderfreibetrag von 12.800 DM entspricht dies im Jahr 2002 (Spitzensteuersatz von 48,5%) monatlich einem Betrag von 520 DM (266 Euro). Dieser Betrag muss unabhängig von der Kinderzahl pro Kind als Kindergeld bis zum Ende der elterlichen Unterhaltspflicht ausgezahlt werden. Bei den im Entwurf vorgesehenen geringeren Freibeträgen entspricht dies zumindest einer Erhöhung des Kindergeldes auf 235 Euro bzw. 460 DM.

An seiner Forderung hält der Deutsche Familienverband auch angesichts des sinkenden Spitzensteuersatzes fest und berücksichtigt auf diese Weise die stetig steigende Belastung von Familien durch die Verbrauchsteuern – ein bislang in der politischen Diskussion weitgehend unbeachtetes Problem. 1999 hat die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer erstmals die Lohnsteuer als wichtigste Steuerquelle überholt. Die Verschiebung von direkten zu indirekten Steuern, die Einkommen steuerlich entlastet und Verbrauch belastet, wirkt automatisch zugunsten von Haushalten ohne Kinder. Während bei ihnen ein Verbraucher über einen Verdienst verfügt, müssen in Mehrkinderfamilien vier, fünf oder mehr Verbraucher von einem oder anderthalb Verdiensten leben. Das bedeutet eine entsprechend mehrfache Belastung durch Verbrauchsteuern. Allein die drei Stufen der Ökosteuer haben bei einer Familie mit zwei Kindern zu einer monatlichen Mehrbelastung von 58 DM geführt (Berechnungen nach DFV-Familie 1/01) – via Ökosteuer hat sich der Steuerstaat also die vorgesehene Kindergelderhöhung von den Familien schon zurückgeholt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass jede Erhöhung von indirekten Steuern die Familien überproportional belastet (1 BvR 2164/98 vom 23.8.1999). Das Kindergeld wird daher künftig – neben der Rückerstattung zuviel erhobener direkter Steuern – in zunehmendem Maße auch ein Ausgleich für die auf den Kindesunterhalt erhobenen Verbrauchsteuern sein müssen.

Als Zielvorgabe für die weitere Entwicklung des Familienleistungsausgleichs ist langfristig die Erhöhung des Kindergeldes auf den durchschnittlichen Sozialhilfebedarf eines Kindes notwendig. Erst hiermit lässt sich grundsätzlich verhindern, dass Eltern für den Unterhalt ihres Kindes auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Steuerliche Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten und Wegfall des Sonderausgabenabzugs von Aufwendungen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse.

Die in § 33 c EStG vorgesehene steuerliche Abzugsfähigkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten ist aus der Sicht beiderseitig erwerbstätiger Eltern zu begrüßen.
Der Deutsche Familienverband weist allerdings darauf hin, dass auch nicht erwerbstätige Erziehende mit mehreren Kindern und dementsprechend großen Familienhaushalten Hilfe bei der Kinderbetreuung und insbesondere Hilfe im Haushalt benötigen. Bislang konnten kinderreiche Familien diese Aufwendungen ggf. als Sonderausgaben steuerlich geltend machen.
Zwar konnte die Sonderausgabenregelung in ihrer jetzigen Form tatsächlich ihre arbeitsmarktpolitischen Ziele nicht erreichen. Statt für einen völligen Wegfall plädiert der Deutsche Familienverband jedoch für eine familienorientierte Veränderung: Die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten werden auf Familien mit Kindern bzw. pflegebedürftigen Familienmitgliedern konzentriert und auch für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sowie für hauswirtschaftliche Dienste von Dienstleistungsagenturen geöffnet. Diese steuerliche Regelung flankiert selbstorganisierte Formen der häuslichen Kinderbetreuung und hauswirtschaftlichen Beschäftigung bei gleichzeitiger Eindämmung der Schwarzarbeit in Privathaushalten. Und sie berücksichtigt, dass nicht nur die Unterstützung bei der Kinderbetreuung, sondern auch die Hilfe im Haushalt familienrelevant ist – denn durch die Entlastung von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten bleibt mehr entspannte Zeit für die Familie, für die Kinder, für die alt gewordenen Eltern, für den Ehepartner.
Der Deutsche Familienverband hält außerdem eine Konkretisierung für erforderlich, welchen Umfang die Erwerbstätigkeit haben muss, um den Voraussetzungen des § 33 c zu genügen. Während der zeitliche Umfang einer die Kinderbetreuung bedingenden Krankheit genauer definiert wird, fehlen bislang entsprechende Angaben für die Erwerbstätigkeit.

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