Selbsthilfe

Familienbezogene Selbsthilfe und bürgerschaftliches Engagement

Seit vielen Jahren verweist die Landesregierung auf den Bedeutungszuwachs familienbezogener Selbsthilfeinitiativen und des bürgerschaftlichen Engagements. Diese sollen „den sozialen Kitt liefern“, so die Landesregierung, der im Zuge von Modernisierungsprozesse brüchig geworden ist. Ein Gesamtkonzept zur Stärkung dieser Zielgruppen steht bis heute aus. Dem Land kommt in diesem Kontext eine Moderatorenfunktion zu, in der es Modelle zur Stärkung der Familienselbsthilfe anregt und die Ergebnisse und Umsetzungsprozesse mit den Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden diskutiert.

Die Möglichkeiten der Selbsthilfe und Selbstorganisation von Familien dürfen jedoch nicht überschätzt werden. In den politischen Äußerungen der Landesregierung zur Familienpolitik wird zunehmend auf Selbsthilfe und Eigenaktivität gesetzt. So sind z.B. Tagespflege und „Verläßliche Grundschule von 8 bis 13 Uhr“ Modelle, die Eltern überwiegend organisieren und privat mitfinanzieren, um ihre Bedarfe an Kinderbetreuung zu sichern.
Obwohl das Zeitbudget von Familien eng bemessen ist und sie enorme Anpassungsprozesse an die gesellschaftlichen Entwicklungen vollziehen müssen, wird,dies ist unser Eindruck, die gesellschaftliche Verantwortung für Kindererziehung schrittweise reprivatisiert.
Die Stärkung der Familienselbsthilfe wird erfahrungsgemäß am ehesten durch die Gewährleistung von Beteiligungsrechten erreicht.

Wenn die Landesregierung als Leitlinie formuliert, dass Politikgestaltung sich an den Bedürfnissen von Familien und Bürgern orientieren muss, dann brauchen wir eine neue Kommunikationskultur, die die Partizipation von Bürgern und Bürgerinnen als Grundlage der Politikgestaltung festschreibt. Dann gilt es, die organisatorischen Bedingungen zu schaffen, die den Dialog zwischen Politik und Gesellschaft ermöglichen.
Aber auch die geleistete Arbeit in den Selbsthilfeinitiativen und die Bedingungen für die Aktivierung bürgerschaftlichem Engagements unterliegen Veränderungsprozessen. Benötigt werden Kooperationspartnerschaften zwischen Hauptberuflichen und den Ehrenamtlichen, ferner finanzielle und personelle Ressourcen (u.a. Öffentlichkeitsarbeit, Fortbildung) zur Aktivierung des Selbsthilfepotentials.
Es muss problematisiert werden, ob die bisherigen Selbsthilfekontakt- und Koordinationsstellen hier hinreichende Impulse zu geben imstande sind.
Selbsthilfe und bürgerschaftliches Engagement können effektiv am besten auf der kommunalen Ebene gefördert und aktiviert werden. Hier müssen die Vorgaben im KJHG umgesetzt werden bzw. neue Strukturen geschaffen werden (z.B. Beauftragte für die Förderung der Familienselbsthilfe, Einrichtung von Selbsthilfekonferenzen, Aufbau von Freiwilligenagenturen, Tauschringe etc.), um aktivierend tätig zu werden und um die notwendige Vernetzungsarbeit zu leisten. Die Landesregierung wird deshalb aufgefordert – gemeinsam mit den Kommunen – ein entsprechendes Umsetzungskonzept zu erarbeiten, das Zielformulierungen, Zeitplanungsvorgaben und Effektivitätskontrollinstrumente vorgibt.
Wo außerdem noch ein dringender Handlungsbedarf besteht, ist, dass es an geeigneten Orten und Räumen für bürgerschaftliches Engagement fehlt. Selbsthilfezentren, Bürgerhäuser und ähnliche Möglichkeiten der Begegnung fehlen. Kindertageseinrichtungen müssten konzeptionell so weiterentwickelt werden, dass diese ebenfalls als Orte der Begegnung und als Informationszentralen dienen. Im Kontext der Modernisierungsprozesse formuliert die Landesregierung zu Recht, dass es darum gehen müsse, diese sozial gerecht zu organisieren. Da zunehmend alle Lebensbereiche „durchkapitalisiert“ sind, müssen Möglichkeiten geschaffen werden, „Gegenwelten“ zu gestalten (alternative Freizeit- und Kommunikationsangebote, Aufbau von Hilfenetzen). Einen Beitrag hierzu könnte der Ausbau von Kommunikationsräumen leisten.

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