Weltoffenheit

Heimat und Europa

Die Einbindung in Regionen, die Heimat sind, ist zugleich die wichtigste Voraussetzung dafür, dass sich Familien dem vereinten Europa als neuem Lebensraum mit neuen Perspektiven und Chancen öffnen können, in dem wir unsere nationale Identität leben und die der Nachbarn kennenlernen können.

Weltoffenheit setzt voraus, dass der einzelne sich in kleinen, überschaubaren, mitgestaltbaren Räumen und Netzwerken eingebunden weiß, die das Gefühl von Heimat, politischer Identifikation und persönlicher Identität vermitteln. Heimatgefühl gibt Stärke und Selbstbewußtsein. Wenn Vertrauen und Geborgenheit im kleinen Lebensraum fehlen, entstehen Mißtrauen und Angst gegenüber dem großen Lebensraum Europa – und Angst macht eng.

Diese Angst fühlen viele Familien: Sie fürchten, dass in fernen, supranationalen Gremien getroffene Entscheidungen, an denen sie nicht beteiligt werden und über die sie sich nur unzureichend informiert fühlen, ihre Lebensbedingungen als Verbraucher und als Arbeitnehmer verschlechtern werden. Sie fürchten, dass ihre strukturellen Eigenheiten und ihre familiären Bedürfnisse von anonymen Entscheidungsträgern nicht berücksichtigt werden. Und es ist nicht zuletzt die Furcht vor einer Verschlechterung des Status quo, vor einem Verlust an persönlicher Identität, die vielen Familien die Zuwanderung ausländischer Familien nach Deutschland als Bedrohung erscheinen läßt – statt sie als Chance für kulturelle Vielfalt und gegenseitiges Kennenlernen und Voneinanderlernen zu erkennen.

Der Deutsche Familienverband als engagierter Befürworter der europäischen Integration und als Verband aller Familien in Deutschland – und dazu zählen die ausländischen Familien ebenso selbstverständlich wie die deutschen – sieht es als seine Aufgabe an, immer wieder auf die Chancen der europäischen Integration hinzuweisen. Für die Zukunft des Kontinents, für die Erhaltung von Frieden in Freiheit und Wohlstand ist das weitere Zusammenwachsen Europas ohne Alternative, und Deutschland wird als Exportnation und als Land mit den meisten Grenzen und den meisten Nachbarn davon ganz besonders profitieren.

Gleichzeitig nimmt der Deutsche Familienverband die Ängste der Familien vor diesen Entwicklungen ernst und fordert politische Gegengewichte ein, die Familien das Bewußtsein der eigenen Identität, der Zugehörigkeit und der Einflußnahme und damit den Mut zur Weltoffenheit geben. Er versteht sich daher ebenso als Zusammenschluss von Familien vor Ort wie als politische Interessenvertretung auf europäischer Ebene.

Familien haben einen Anspruch darauf, dass Politik sich auf ihre regionale Heimat bezieht und dort ihre ganz konkreten Alltagsbedürfnisse berücksichtigt. Familienpolitik vor Ort gibt der Familienpolitik in Europa erst ihr Fundament. Der entscheidende Ausgleich – ja, die Grundvoraussetzung – für die Öffnung in den europäischen Lebensraum hinein ist die Stärkung der regionalen Bezüge. Die Erstzuständigkeit der Regionen, der kleinen Einheiten in der Europäischen Union ist als Ausprägung des bereits erwähnten Subsidiaritätsprinzips ausdrücklich sowohl in Artikel 28 des Grundgesetzes als auch im EU-Vertrag verankert.

Damit das „gemeinsame Haus Europa“, in dem Familien leben können, auch ein Dach bekommt, braucht Europa außerdem gemeinsame Grundwerte, die aus einem rational begründbaren Wirtschaftsmodell ein Gesellschaftsmodell machen, mit dem sich Menschen wirklich identifizieren können. Ein solcher Grundwert ist Familie. Noch freilich tut sich die EU allein schon mit der Interpretation des Begriffs Familie schwer. Von einer europäischen Familienpolitik ist die Union noch weit entfernt – diese ist bis jetzt nicht über den Status einer unselbständigen Querschnittspolitik aus den Bereichen Binnenmarkt, Sozialpolitik, Berufsausbildung, Jugend, Gesundheitswesen, Verbraucherschutz und Umwelt hinausgekommen.

Europäische Familienpolitik kann und darf die familienpolitische Zuständigkeit der Einzelstaaten nicht ersetzen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, sicherzustellen, dass überall dort, wo europäische Politik Familien betrifft – und dies gilt bereits jetzt für weite Lebensbereiche -, Familienbelange Berücksichtigung finden und Familiengerechtigkeit verwirklicht wird. Eine solche Politik ist im Interesse aller Mitgliedstaaten. Denn sie alle stehen, ebenso wie Deutschland, vor der Herausforderung, die Rahmenbedingungen für familiäres Leben zu verbessern.

Das könnte Dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert